Sonntag, 11. Dezember 2011

Tage des Lichts III Ein Reisebericht aus Südfrankreich


Ausflüge in die Umgebung von Les Juliannes

Der Felsen der Klarheit


Noch ein Felsen. Ein Blick in die Ferne. Die Pyrenäen. Ganz nah. So wie die Geschichte. Ich tauche tief ein. 

Ein Fichtenwald. Monokultur der lichten Art. Der überdimensioniert warme Dezembertag lässt das kurzärmelige, hellblaue Hemd zu. Die Sonne im Rücken, die Kamera im Rucksack, ziehe ich los. Über mir Klarheit.
Die ersten Quarze locken mich an. Aus der Tristesse der Fichtenfamilie ragen sie in ihrem weißen Schein heraus.
Es geht aufwärts. Dorthin, wo der Fels ein Lug ins Land ist, einem Schiffsbug gleich. Drüben das Pendant, darauf das Chateau du Paulin, ein vom vorigen Eigentümer mit Sinn und Respekt für die Geschichte sowie für´s Moderne liebevoll und sehr ansprechend restauriert. Die unaufdringliche Glasfront, die in südwestliche Richtung zeigt, lugt hervor.

Zwischen den Gesteinen der Oulas, dessen Fleissarbeit uns heute diesen uniquement An- und Ausblick beschert. Und dem Chateau Paulin seine autarke Lage. Das Licht kitzelt mich. Reflektionen der besonderen, sinnlichen Weise. Was erwartet mich oben? Gibt es Felsspalten? Ein zart ausgetretener schmaler Pfad windet sich durch Brombeeren und Farn. Übermooste Eichenäste ragen in alle Richtungen. Ein Dach aus Zweigen. Abgestorbenes Leben. Der kurze, steile Anstieg zum „Gipfel“ lässt mich heftiger atmen. Wer lebt dort oben? Wer hat dort gelebt? Ich prüfe die Gesteinsblöcke. Gibt es eine Anordnung?- Reihenfolge? Moos und Flechten sagen: Nein. Die Sonne führt mich zu einem wunderbaren Augenblick. Diese Aussicht ist… - nein, sie lässt einen träumen, sinnieren, fabulieren. Unbeschreiblich das Vermögen der Natur, immer wieder neue Grüntöne zu erfinden. Die lichtvollen Schattierungen lassen jeden Impressionisten neidisch werden. Die Laubbäume mit ihrem Rest-Herbstkleid geben warme Tupfer dazu und der ungeliebte Schiefer bringt seine Quarzadern ins sinnenfrohe Spiel.

Eine Reise feiner Wahrnehmungen. Das äußerst dezente Rauschen des Flüsschens, eher zu spüren als zu hören, vergeht im Schleier der spätherbstlichen Wildnis. Eine letzte Biene surrt, Krähen tanzen am Himmel. Die Felslandschaft in ihrer familiären Intimität lässt mich zaudern, zu kraftvolle, vielleicht zerstörerische Schritte zu unternehmen. Der „Heideboden“ ist angenehm, gibt nach, der Gräser biegen sich beiseite und der Farn scheint sich vor mir zu verstecken. Das Licht fließt zu mir, umspielt meine Augen und gibt mir freudige Impulse. Die schimmernde Illusion der Weite geht auf in intim-freundlicher Helligkeit jenes unaufdringlichen Scheines.
Dieser Blick, Ferne erheischend und Nähe suchend in diesem immensen Ausblick, vor dem sogar das starke  Objektiv meiner Kamera klein beigibt.
Ich bin in einer frohen Stimmung der Ruhe und Ausgeglichenheit. Mein Dank kommt von Herzen, alle Anspannung fällt ab. Freiheit der Sinne und Seele…

Ein Jahr zuvor: Oktober 2010. Ich wache auf. Nehme mir die regionale Karte, schreite die Treppe unserer damaligen Gite hinab, sage: „Ich weiß, was unser Ziel ist: Les Juliannes“. Seitdem ist viel passiert. Ein Haus, ein Anwesen, grandios, kam zu uns. Überraschend. Wir fahren hin, es ist zu mieten – und zu kaufen. Wir sagen Ja. Mit gutem Glauben. Wir sind ja vorbereitet. Der Eigentümer, ein Philantrop, Naturliebhaber, versteht unser Projekt. Wir wollen es. Er gibt uns  Les Juliannes. Und dann sind wir da. Ankommen in Etappen. Wie vielleicht vor Jahrhunderten schon einmal. Erfühlen. Hineinspüren. Annehmen. Respektieren. Alles verändert sich nun. Der Business-Plan, die Finanzen. Unsere Ziele, das  Projekt in seiner Größe und Ansprüchen. Ganz allmählich erfahren wir, welch einen Schatz wir hier besitzen dürfen. Les Juliannes. Die Göttliche. Mehr als neun Monate braucht es, um tatsächlich anzukommen. Eine prägnante Reise innerhalb der Reise des Lebens.
In diesem kurzen Zeitabschnitt erfahren, erleben wir Dinge, Geschehnisse, die zum Zeitpunkt ihres Erscheinens, so imposant, so gewaltig sind, die wir so intensiv wahrnehmen, wie noch nie zuvor etwas in unserem Leben. Wir lassen es zu.
Aus heutiger Sicht: Ein Abschnitt der Prüfung: Stehen wir das durch? Wollen wir dieses „Ziel“ tatsächlich erreichen? Sind wir es WERT?
Mit eben dieser Zeit wächst auch eben diese Wertschätzung – für unser Projekt, Les Juliannes und für uns SELBST.
So ist diese Etappe der Reise und auch die Rückschau, die ich auf diesem Stück freien Felsens halte, in all ihrer Intensität und Entwicklung nur sehr schwer mit der Kraft des Wortes zu dokumentieren. (Trotzdem, nein gerade deswegen, denn es fordert mich heraus, schreibe ich an einem Buch zu dieser „Reise“).
Das, was wirklich im Innersten bleibt, ist das nachhaltige Bild von Erfüllung und Glück, auch wenn diese Reise noch nicht zu Ende ist… .
So schließt dieser Bericht – der Bericht von einer Symbiose der Innenschau und der äußeren Wahrnehmung. Der Felsen gibt einen Ort bemerkenswerter Natur hinzu.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen