Ausflüge in die Umgebung von
Les Juliannes
Der Felsen der Klarheit
Noch ein Felsen. Ein Blick
in die Ferne. Die Pyrenäen. Ganz nah. So wie die Geschichte. Ich tauche tief
ein.
Ein Fichtenwald. Monokultur
der lichten Art. Der überdimensioniert warme Dezembertag lässt das
kurzärmelige, hellblaue Hemd zu. Die Sonne im Rücken, die Kamera im Rucksack,
ziehe ich los. Über mir Klarheit.
Die ersten Quarze locken
mich an. Aus der Tristesse der Fichtenfamilie ragen sie in ihrem weißen Schein
heraus.
Es geht aufwärts. Dorthin,
wo der Fels ein Lug ins Land ist, einem Schiffsbug gleich. Drüben das Pendant,
darauf das Chateau du Paulin, ein vom vorigen Eigentümer mit Sinn und Respekt
für die Geschichte sowie für´s Moderne liebevoll und sehr ansprechend
restauriert. Die unaufdringliche Glasfront, die in südwestliche Richtung zeigt,
lugt hervor.
Zwischen den Gesteinen der
Oulas, dessen Fleissarbeit uns heute diesen uniquement An- und Ausblick
beschert. Und dem Chateau Paulin seine autarke Lage. Das Licht kitzelt mich.
Reflektionen der besonderen, sinnlichen Weise. Was erwartet mich oben? Gibt es
Felsspalten? Ein zart ausgetretener schmaler Pfad windet sich durch Brombeeren
und Farn. Übermooste Eichenäste ragen in alle Richtungen. Ein Dach aus Zweigen.
Abgestorbenes Leben. Der kurze, steile Anstieg zum „Gipfel“ lässt mich heftiger
atmen. Wer lebt dort oben? Wer hat dort gelebt? Ich prüfe die Gesteinsblöcke.
Gibt es eine Anordnung?- Reihenfolge? Moos und Flechten sagen: Nein. Die Sonne
führt mich zu einem wunderbaren Augenblick. Diese Aussicht ist… - nein, sie
lässt einen träumen, sinnieren, fabulieren. Unbeschreiblich das Vermögen der
Natur, immer wieder neue Grüntöne zu erfinden. Die lichtvollen Schattierungen
lassen jeden Impressionisten neidisch werden. Die Laubbäume mit ihrem
Rest-Herbstkleid geben warme Tupfer dazu und der ungeliebte Schiefer bringt
seine Quarzadern ins sinnenfrohe Spiel.
Eine Reise feiner
Wahrnehmungen. Das äußerst dezente Rauschen des Flüsschens, eher zu spüren als
zu hören, vergeht im Schleier der spätherbstlichen Wildnis. Eine letzte Biene
surrt, Krähen tanzen am Himmel. Die Felslandschaft in ihrer familiären
Intimität lässt mich zaudern, zu kraftvolle, vielleicht zerstörerische Schritte
zu unternehmen. Der „Heideboden“ ist angenehm, gibt nach, der Gräser biegen
sich beiseite und der Farn scheint sich vor mir zu verstecken. Das Licht fließt
zu mir, umspielt meine Augen und gibt mir freudige Impulse. Die schimmernde
Illusion der Weite geht auf in intim-freundlicher Helligkeit jenes unaufdringlichen
Scheines.
Dieser Blick, Ferne
erheischend und Nähe suchend in diesem immensen Ausblick, vor dem sogar das
starke Objektiv meiner Kamera klein
beigibt.
Ich bin in einer frohen
Stimmung der Ruhe und Ausgeglichenheit. Mein Dank kommt von Herzen, alle
Anspannung fällt ab. Freiheit der Sinne und Seele…
Ein Jahr zuvor: Oktober
2010. Ich wache auf. Nehme mir die regionale Karte, schreite die Treppe unserer
damaligen Gite hinab, sage: „Ich weiß, was unser Ziel ist: Les Juliannes“.
Seitdem ist viel passiert. Ein Haus, ein Anwesen, grandios, kam zu uns.
Überraschend. Wir fahren hin, es ist zu mieten – und zu kaufen. Wir sagen Ja.
Mit gutem Glauben. Wir sind ja vorbereitet. Der Eigentümer, ein Philantrop,
Naturliebhaber, versteht unser Projekt. Wir wollen es. Er gibt uns Les Juliannes. Und dann sind wir da. Ankommen
in Etappen. Wie vielleicht vor Jahrhunderten schon einmal. Erfühlen.
Hineinspüren. Annehmen. Respektieren. Alles verändert sich nun. Der
Business-Plan, die Finanzen. Unsere Ziele, das
Projekt in seiner Größe und Ansprüchen. Ganz allmählich erfahren wir,
welch einen Schatz wir hier besitzen dürfen. Les Juliannes. Die Göttliche. Mehr
als neun Monate braucht es, um tatsächlich anzukommen. Eine prägnante Reise
innerhalb der Reise des Lebens.
In diesem kurzen
Zeitabschnitt erfahren, erleben wir Dinge, Geschehnisse, die zum Zeitpunkt
ihres Erscheinens, so imposant, so gewaltig sind, die wir so intensiv
wahrnehmen, wie noch nie zuvor etwas in unserem Leben. Wir lassen es zu.
Aus heutiger Sicht: Ein
Abschnitt der Prüfung: Stehen wir das durch? Wollen wir dieses „Ziel“
tatsächlich erreichen? Sind wir es WERT?
Mit eben dieser Zeit wächst
auch eben diese Wertschätzung – für unser Projekt, Les Juliannes und für uns
SELBST.
So ist diese Etappe der
Reise und auch die Rückschau, die ich auf diesem Stück freien Felsens halte, in
all ihrer Intensität und Entwicklung nur sehr schwer mit der Kraft des Wortes
zu dokumentieren. (Trotzdem, nein gerade deswegen, denn es fordert mich heraus,
schreibe ich an einem Buch zu dieser „Reise“).
Das, was wirklich im
Innersten bleibt, ist das nachhaltige Bild von Erfüllung und Glück, auch wenn
diese Reise noch nicht zu Ende ist… .
So schließt dieser Bericht –
der Bericht von einer Symbiose der Innenschau und der äußeren Wahrnehmung. Der
Felsen gibt einen Ort bemerkenswerter Natur hinzu.